Deutschland verfehlt beim E-Government krachend seine selbstgesteckten Ziele und steht auch im EU-Vergleich schlecht da. Das Behörden-Digimeter auf dieser Seite ist ein fortlaufendes Projekt, mit dem die INSM die Umsetzung des so genannten Online-Zugangsgesetz (OZG) überprüft, mit dem die Verwaltung in Deutschland digitalisiert werden soll.
28. Oktober 2022BEHÖRDEN-DIGIMETER MÄRZ 2023BEHÖRDEN-DIGIMETER JANUAR 2023Behörden-Digimeter Oktober 2022Behörden-Digimeter März 2022
Das im „OZG-Booster“ vom Frühjahr 2022 definierte Minimalziel, zumindest 115 wichtige staatliche Leistungen bis zum Jahresende 2022 verfügbar zu machen, wurde mit knapp drei Monaten Verzögerung erreicht.Der Bund meldet als bundesweiten Umsetzungserfolg z. B. die Möglichkeit zur Online-Beantragung von Bafög und – in Städten mit Parkraumbewirtschaftung – die Möglichkeit, Anwohnerparkausweise online zu beantragen.
Offiziell ist das Onlinezugangsgesetz (OZG) Ende 2022 ausgelaufen; das Ziel einer Digitalisierung der Verwaltung wurden nicht annährend erreicht. Die Bundesregierung hat bislang darauf verzichtet, ein neues Zieldatum für die Online-Verfügbarkeit der 575 im OZG aufgeführten staatlichen Angebote für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen festzulegen. Doch Bund, Länder und Gemeinden arbeiten weiterhin daran, die 575 im OZG definierten Verwaltungsdienstleistungen online verfügbar zu machen. Dabei wurden in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 Fortschritte erzielt: Zum Jahreswechsel 2022/23 waren laut OZG-Dashboard nur 105 Leistungen bundesweit online, während bis zum 21. März 17 weitere Angebote hinzukamen.
Auch mit Hilfe des im Frühjahr 2022 beschlossenen „OZG-Boosters“ gibt es nun 122 bundesweit flächendeckend verfügbare Leistungen; damit sind 21 Prozent des Gesamtbestands der im OZG enthaltenen staatlichen Angebote überall in Deutschland online verfügbar. Bis zur vollständigen Digitalisierung des Spektrums der Verwaltungsdienste dürften dennoch Jahre vergehen.
Den stärksten Anstieg in der Anzahl der flächendeckenden verfügbaren Leistungen konnte seit dem Jahreswechsel Hamburg mit 37 zusätzlichen Angeboten verzeichnen, allerdings befindet sich die Hansestadt mit 196 flächendeckenden digitalisierten Leistungen nur auf Rang 3, zudem gibt es in dem Stadtstaat keine weiteren bereits regional auf Gemeindeebene umgesetzte Leistungen wie in den Flächenländern (mit Ausnahme des Saarlands). Führend bei den flächendeckenden Umsetzungen sind weiterhin Bayern und Hessen, die ihre flächendeckenden Leistungsangebote um 28 bzw. 14 erhöhen konnten. Bayern führt zum Ende des ersten Quartal 2023 auch das Ranking mit 206 landesweit verfügbaren Leistungen vor Hessen mit 197 an. An dritter Stelle bei der flächendeckenden Verfügbarkeit liegt Hamburg vor dem viertplatzierten Thüringen. Die „rote Laterne“ hat weiterhin das Saarland mit nur 122 Leistungen, das damit auch das bundesweite Minimum bestimmt.
Bei den in mindestens einer Gemeinde verfügbaren Leistungen liegt Nordrhein-Westfalen mit 264 Angeboten in Führung, einschließlich der 144 flächendeckenden Angebote kommt das einwohnerstärkste Bundesland auf 408 Leistungen. Bei einer flächendeckenden Verfügbarkeit hätte NRW damit schon 71 Prozent des OZG umsetzen können. In Bayern sind immerhin 320 Leistungen verfügbar, wenn man die Gemeinden mit einbezieht. Dies unterstreicht die hohe Bedeutung einer zügigen Übernahme einmal entwickelter Leistungen beziehungsweise die Dringlichkeit, dass Bundesländer zusammen mit führenden Städten und Gemeinden Angebote für alle Kommunen entwickeln und diese dann bei der Umsetzung unterstützen.
Wie das vergangene Quartal gezeigt hat, werden In den Bundesländern weiterhin Fortschritte in der OZG-Umsetzung erzielt, die jedoch nicht ausreichen, um in einem überschaubaren Zeitraum von ein bis zwei Jahren eine flächendeckende bundesweite Verfügbarkeit der OZG-Leistungen zu erreichen. Im derzeit in der Abstimmung befindlichen Folgegesetz für die weitere OZG-Realisierung wird jedoch auf eine erneute Fristsetzung für die Umsetzung verzichtet. Das „OZG 2.0“ besteht aus dem im Gesetzgebungsverfahren befindlichen OZG-Änderungsgesetz in Verbindung mit dem E-Government-Gesetz (EGovG) und dem IT-Netzgesetz (ITNetzG). Der Verzicht auf eine neue Frist wird formal damit begründet, dass die Pflicht zur Umsetzung bis Ende 2022 weiterhin gilt und damit eine erneute Frist überflüssig ist, trotzdem wird ohne neue Umsetzungsmeilensteine der Druck auf die Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen eher verringert, was problematisch erscheint.
Die Wirtschaft ist aufgrund der Tätigkeit vieler Unternehmen in mehreren Bundesländern auf bundesweit einheitliche digitale Standards angewiesen. So ist beispielsweise die Möglichkeit zur Online-Unternehmensgründung durch das Land Bremen als OZG-Leistung erstentwickelt worden. Wichtig ist hierbei, dass der Single Digitale Gateway- (SDG)-Verordnung der EU zufolge ab Ende 2023 die Online-Gründung als Angebot verfügbar sein muss. Eine zügige Übernahme dieser und anderer von einzelnen Ländern oder Kommunen entwickelter Digitallösungen würde also auch bei der Einhaltung europäischer Regelungen helfen. Dies gilt auch für die Registermodernisierung mit elektronischen, bundesweit verknüpften Registern: Nur so kann die SDG-Vorgabe des „only once“ umgesetzt werden, der zufolge Bürger und Unternehmen nicht immer wieder die gleichen Sachverhalte in Anträgen und Behördenprozessen angeben müssen. Deutschland gehört in diesem Bereich zu den europäischen Nachzüglern, da die dafür notwendige Verknüpfung von Registern bislang an unterschiedlichen Standards und strengen – über die EU-Anforderungen hinausgehenden – Datenschutzvorgaben scheitert. Zudem ist im OZG weiterhin nicht sichergestellt, dass in allen Bundesländern und Kommunen einheitliche oder zumindest kompatible Digitallösungen angewendet werden, was zu den Webfehlern des Gesetzes von 2017 gehört.
Die Verknüpfung der Themen Verwaltungsdigitalisierung und Bürokratieabbau sollte zukünftig stärker im Mittelpunkt der Politik stehen. Die bisherige Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes krankt neben der zu langsamen Umsetzung an einer Konzentration auf Online-Masken für Nutzerinnen und Nutzer, ohne die verwaltungsinternen Prozesse und ihre (mangelnde) Digitaltauglichkeit zu adressieren. Nur einfache, digitaltaugliche Verfahren mit einer medienbruchfreien digitalen Abwicklung bis hin zur Nutzung von automatisierten Entscheidungen auf KI-Basis erlauben eine echte Entlastung der Verwaltungen, die durch immer komplexere staatliche Regelungen vielfach überfordert sind und darüber hinaus aufgrund des demografischen Wandels vor einer weiteren Verengung des Fachkräftepotenzials stehen.
Mit dem Jahresende 2022 ist auch das Zieldatum des Onlinezugangsgesetzes (OZG) erreicht worden. Bis zum 31. Dezember des Jahres sollten 575 gesetzlich vorgegebene Leistungen und Behördenvorgänge von Bund, Ländern und Gemeinden online verfügbar gemacht werden. Da sich unter den 575 definierten staatlichen Angeboten oft Leistungsbündel verbergen, stellte das 2017 verabschiedete OZG die weitgehende Digitalisierung der Behördenkontakte für Bürger und Unternehmen in Aussicht. Deutschland sollte damit im E-Government zu den führenden europäischen Ländern wie Estland, Finnland oder den Niederlanden aufschließen. Die Umsetzung des OZG bis Ende 2022 wurde jedoch trotz eines „OZG-Boosters“ zur Beschleunigung ab Frühjahr 2022 klar verfehlt; zum Jahreswechsel 2022/23 waren laut OZG-Dashboard 105 Leistungen bundesweit online – nur 25 mehr als Mitte März. Angestrebt waren in dem Booster-Programm zumindest 115 bundesweit flächendeckend verfügbare Leistungen.
Den stärksten Anstieg in der Anzahl der verfügbaren Leistungen konnte zum Jahreswechsel Berlin mit 65 neuen Angeboten gegenüber März 2022 verzeichnen, allerdings von einer zuvor sehr niedrigen Verfügbarkeit von 80 OZG-Leistungen im Frühjahr, was dem bundesweiten Minimum entsprach. 145 flächendeckende Leistungen zum OZG-Zielzeitpunkt reicht denn auch nur zu Rang 7 für die Hauptstadt. Die deutlichsten Fortschritte unter den Ländern mit zuvor bereits besserem Stand konnten im weiteren Jahresverlauf 2022 Hessen und Bayern aufweisen, die ihre flächendeckenden Leistungsangebote um 60 bzw. 58 erhöhen konnten. Hessen führt zum Jahreswechsel das Ranking auch mit 183 landesweit verfügbaren Leistungen vor Bayern mit 178 an. An dritter Stelle bei der flächendeckenden Verfügbarkeit liegt Hamburg mit 159 Leistungen, 48 mehr als im Frühjahr 2022. Die „rote Laterne“ hat das Saarland mit nur 105 Leistungen.
Bei den in mindestens einer Gemeinde verfügbaren Leistungen liegt Nordrhein-Westfalen mit 251 Angeboten vorn, einschließlich der 124 flächendeckenden Angebote kommt das einwohnerstärkste Bundesland auf 375 Leistungen, was der höchste „Insgesamt“-Wert ist. Rückläufige Umsetzungszahlen in der gemeindebezogenen Betrachtung, wie sie für Nordrhein-Westfalen mit - 7 Leistungen gegenüber März 2022 festzustellen sind, können auf eine Ausweitung der flächendeckenden Umsetzung oder auf Korrekturen zurückzuführen sein: In NRW ist die Umsetzung „insgesamt“ gegenüber März um 35 gestiegen, aber gegenüber September um 24 gesunken. Ein ähnlicher Sachverhalt gilt auch für Bremen, wo die Anzahl der landesweit verfügbaren Leistungen seit März von 118 auf 113 zurückging. Manchmal werden Leistungen von Kommunen oder (seltener) Ländern als umgesetzt gemeldet, die später einer Prüfung der durchgängigen Online-Verfügbarkeit nicht standhalten. Herabladbare Pdf-Formulare zum Ausdrucken, Ausfüllen und Zurückschicken gelten beispielsweise nicht als Online-Umsetzung, die „digitale Kette“ muss lückenlos sein.
Trotz der Bemühungen, mithilfe des „OZG-Boosters“ zumindest 115 wichtige Leistungen überwiegend für die Bürger – weniger für Unternehmen – bis zum Jahresende 2022 verfügbar zu machen, wurde selbst dieses Minimalziel verfehlt. Das Vorhaben, mit dem OZG von 2017 bis 2022 das E-Government in Deutschland weitgehend umzusetzen und Deutschland damit von einem hinteren Platz in Europa bei der staatlichen Digitalisierung in den vorderen Bereich zu befördern, muss hingegen sogar als krachend gescheitert bezeichnet werden: Mit 105 bundesweiten Leistungen wurden rechnerisch nur 18 Prozent des Ziels von 575 Online-Angeboten flächendeckend erreicht. Nach Verabschiedung des OZG-Gesetzes im Jahr 2017 fehlte eine klare Umsetzungsstrategie mit „Meilensteinen“ für Bund, Länder und Kommunen, wie sie im Projektmanagement die Regel sein sollte. Erst m Laufe der Zeit wurde die „Einer für Alle“-Strategie aufgesetzt, der zufolge bestimmte Bundesländer und Kommunen definierte OZG-Leistungen erst-entwickeln, damit diese dann von allen Ländern und Kommunen übernommen werden können. Es gibt zudem weiterhin kein rechtliches Instrument, mit dem die Kommunen zu einer zügigen Übernahme erst-entwickelter Leistungen verpflichtet werden können. Oft ist der Elan, auf kommunaler Ebene E-Government-Angebote umzusetzen, gering, da die anderweitig entwickelten Digitalangebote nicht auf bereits bestehende Lösungen in den Verwaltungen übertragen werden können.
Deutschland ist es damit nicht gelungen, seinen hinteren Platz im europaweiten E-Government zu verbessern. Bei den digitalen öffentlichen Diensten steht Deutschland in der EU in der aktuellen Erhebung 2022 auf Rang 18 und schneidet hiermit nach wie vor unterdurchschnittlich ab; im Vergleich zum Vorjahr ist das Land von Platz 17 um einen Platz zurückgefallen (Digital Economy and Society Index, DESI). Führend in dem Ranking sind dagegen nordische Staaten wie Estland und Finnland, aber auch die Niederlande und Spanien schneiden sehr gut ab.
Der Fehlschlag in der OZG-Umsetzung hat auch konzeptionelle Gründe. Überwiegend haben Bund, Länder und Kommunen versucht, historisch gewachsene analoge Behördenvorgänge mit Online-Masken für den Nutzer zu versehen, statt die Digitalisierung für eine grundlegende Neukonzeption der Verwaltungsvorgänge in der digitalen Welt zu nutzen. Plattformlösungen, die weitgehend automatisierte Abläufe und „intelligente“ Verfahren beinhalten, würden ein E-Government aus einem Guss mit Vereinfachungen und Einsparungen auch in den Verwaltungen erlauben. Hierfür müssten bundeseinheitliche Lösungen entwickelt werden, wovor man aus föderaljuristischen Gründen offenbar zurückschreckt. Kritiker monieren, dass die Übertragung analoger behördlicher Abläufe auf Online-Portale ohne einheitliche Digitallösungen im Background Stückwerk bleibt und den verwaltungsseitigen Aufwand sogar erhöhen kann, was angesichts der wachsenden Fachkräfteengpässe äußerst problematisch ist.
Die Umsetzung des E-Governments kommt in Deutschland weiterhin nur schleppend voran, und es mehrt sich grundsätzliche Kritik am gewählten Vorgehen. Entsprechend den im Online-Zugangsgesetz (OZG) getroffenen Festlegungen müssten bis Ende 2022 alle 575 im Gesetz definierten Leistungen der Verwaltung für Bürger und Unternehmen verfügbar sein. Die Umsetzung des OZG hängt jedoch weiterhin dem Zeitplan stark hinterher, auch wenn ein „OZG-Booster“ bis Jahresende noch weitere wichtige Umsetzungen ermöglichen soll. Dieser betrifft v.a. Online-Angebote für Bürger wie BAföG-Antrag und Elterngeld, weniger Unternehmensleistungen. Aber selbst die 35 im Mai für den Booster ausgewählten Leistungen werden bis Ende 2022 nicht flächendeckend verfügbar sein.
Im Oktober 2022 waren laut OZG-Dashboard nur 80 Leistungen bundesweit online – nicht mehr als Mitte März. Verantwortlich hierfür sind Berlin und das Saarland, in den übrigen Bundesländern gab es in den vergangenen Monaten gewisse Fortschritte. Neben den bundesweit verfügbaren Leistungen werden im OZG-Dashboard für die 16 Bundesländer die dort jeweils flächendeckend verfügbaren Leistungen sowie die Anzahl der nur in einzelnen Kreisen oder Gemeinden angebotenen digitalen Leistungen angegeben.
Stand Oktober 2022
Das führende Bundesland ist zum Stand Ende Oktober 2022 Bayern mit 166 landesweit verfügbaren Leistungen vor Schleswig-Holstein mit 159. Der stärkste „Aufsteiger“ im Vergleich zu März ist ebenfalls Bayern, wo 46 zusätzliche flächendeckende Leistungen angeboten werden, vor Hamburg mit 42 Leistungen. Auch bei den in mindestens einer Gemeinde verfügbaren Leistungen liegt der Freistaat mit 74 zusätzlichen Angeboten vorn. Es gibt aber auch einen „Absteiger“: In Bremen sank die Anzahl der landesweit verfügbaren Leistungen seit März von 118 auf 104: Offenbar wurden zuvor Leistungen als umgesetzt gemeldet, die einer näheren Prüfung der Online-Reife nicht standhielten und deshalb wieder aus dem Dashboard entfernt werden mussten.
Die EU vergleicht den Stand der Digitalisierung und des E-Governments in ihren Mitgliedsländern im Rahmen laufender Erhebungen diverser Indikatoren des Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Bei den digitalen öffentlichen Diensten steht Deutschland in der EU in der aktuellen Erhebung 2022 an 18. Stelle und schneidet hiermit nach wie vor unterdurchschnittlich ab; im Vergleich zum Vorjahr ist das Land von Platz 17 noch um einen Platz abgerutscht. Führend in dem Ranking dagegen sind Estland und Finnland, während sich Rumänien abgeschlagen auf dem letzten Platz befindet. Ein klarer Abwärtstrend ist zwar nicht zu erkennen, da Deutschland im Jahr 2020 auf Platz 22 lag, doch kann Deutschland als führende Wirtschaftsnation in der EU mit dieser Platzierung nicht zufrieden sein.
Hierzulande sind kaum vorausgefüllte Online-Formulare verfügbar. Der Grund: Fehlende Verknüpfung von Registern und unzureichende Kooperation und Kommunikation von staatlichen Stellen untereinander. Ein kundenorientierter Online-Service verlangt aber, dass die Eingabe-Software auf bei staatlichen Stellen bereits verfügbar Daten zugreift.
Die Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes (OZG) läuft äußerst schleppend, obwohl bis Ende 2022 alle 575 OZG-Leistungen dieses zentralen E-Government-Instruments des deutschen Staates für Bürger und Unternehmen umgesetzt sein müssten. Dieser Termin ist nicht mehr zu halten. Im Juni 2022 waren laut OZG-Dashboard weiterhin nur 80 Leistungen bundesweit online – nicht mehr als Mitte März. Neben den bundesweit verfügbaren Leistungen werden im OZG-Dashboard für die 16 Bundesländer die jeweils flächendeckend verfügbaren Leistungen sowie die Anzahl der nur in einzelnen Kreisen oder Gemeinden angebotenen digitalen Leistungen angegeben. Das führende Bundesland ist zum Stand 24. Juni 2022 Thüringen mit 142 landesweit verfügbaren Leistungen, vor Schleswig-Holstein mit 131. Der stärkste „Aufsteiger“ ist Mecklenburg-Vorpommern, wo mit 12 neuen flächendeckenden Leistungen die landesweite Verfügbarkeit auf 107 angestiegen ist. Es gibt aber auch zwei „Absteiger“: In Nordrhein-Westfalen sank die Anzahl der in mindestens einer Gemeinde verfügbaren Leistungen (-11) stärker, als die der landesweit verfügbaren (+9) angestiegen ist, so dass insgesamt im Bundesland 2 Leistungen weniger verfügbar sind als im März. In Niedersachsen lag die negative Differenz auf Gemeindeebene sogar bei -11 Leistungen. Offenbar wurden zuvor Leistungen von Gemeinden als umgesetzt gemeldet, die einer näheren Prüfung der Online-Reife nicht standhielten und deshalb wieder aus dem Dashboard entfernt werden mussten.
Diese Zweifel an der Qualität der Umsetzungsmessung werden vom Bundesrechnungshof bestätigt und noch weiter ausgeführt: Leistungen, die vom Bund angeboten werden, machen nur einen kleinen Teil aller Verwaltungsleistungen aus; die Zuständigkeit liegt beim Bundesinnenministerium. Doch auch bei diesen „selbst verantwortlichen“ Diensten hinkt der Bund den OZG-Umsetzungszielen stark hinterher. Zahlreiche als umgesetzt gemeldete Bundesleistungen erreichen laut Rechnungshof-Prüfern nicht den erforderlichen Reifegrad 3, d.h. alle Teilleistungen sind durchgängig von der Antragstellung über die Bearbeitung bis zur Genehmigung oder Leistungserfüllung für den Nutzer online verfügbar.
Quelle: OZG-Dashboard, Juni 2022
Neben der schleppenden Umsetzung der bundesbezogenen Leistungen ist die schlecht funktionierende Umsetzung bereits erst-entwickelter kommunaler und Landes-Services ein wichtiges Hindernis zum Erreichen der OG-Ziele. So sind auch nach der Reduktion um zwei Leistungen (s.o.) für Nordrhein-Westfalen 249 Leistungen auf einzel-kommunaler Ebene als „umgesetzt“ angeführt – während ganze 9 Online-Services neben den 80 bundesweit verfügbaren im ganzen Bundesland flächendeckend angeboten werden. Die äußerst langsame Übernahme bereits in einzelnen Kommunen eingeführter Online-Leistungen im ganzen Bundesland und deutschlandweit ist für das eGovernment in Deutschland ein mindestens so großes Hemmnis wie die schlechte Bundes-Performance.
Eigentlich wurde hierzu das „Einer-für-Alle“-Prinzip (EfA) entwickelt, dem zufolge einzelne federführende Bundesländer oder Kommunen bestimmte Leistungen fertig entwickeln und allen anderen verfügbar machen. Doch fehlende Digital-Kapazitäten, falsche Prioritäten oder schlichtes Desinteresse in den Kommunen bremst die Übernahme aus. Hier könnte der Künstlichen Intelligenz (KI) eine wichtige Rolle zukommen: Verwenden Kommunen gleiche Softwarelösungen, so könnten ausgearbeitete digitale Leistungen, die über ein Online-Portal verfügbar gemacht werden, mit erheblich verringertem Aufwand in allen an das System angeschlossenen Kommunen implementiert werden, wobei KI-gesteuerte Systeme die Übereinstimmungen bei der Übernahme und notwendige Anpassungen an die kommunalen Gegebenheiten prüfen könnten und so händische Arbeit von IT-Experten in den Gemeinden zumindest teilweise ersetzen können.
Doch KI-Lösungen werden für diesen Zweck bislang nicht eingesetzt, und generell kommt die KI in Deutschland ebenso wie die Digitalisierung viel zu langsam voran. Die zeigt auch der vom Institut der deutschen Wirtschaft berechnete KI-Monitor, der für das aktuelle Jahr 2022 einen Rückgang des Indexwertes um 1,3 Punkte bzw. 4,1 Prozent im Vergleich zu 2021 ausweist. Dabei ist 2022 sowohl der Teilindikator für den Bereich Wirtschaft wie auch der Teilindikator für den Staatssektor rückläufig, während der Teilindikator für den Bereich Gesellschaft leicht gestiegen ist.
Insgesamt: Einschließlich nur in einzelnen Gemeinden verfügbarer Leistungen; eigene Darstellung
Quelle: OZG-Dashboard, Juni 2022
Die Ampel-Regierung hat sich große Ziele bei der Digitalisierung Deutschlands gesetzt. So soll der Staat für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen digitaler werden. Deutschland hinkt im internationalen Vergleich gewaltig hinterher. Schon die Vorgängerregierung hatte sich 2017 mit dem sogenannten Onlinezugangsgesetz (kurz: OZG) sich das Ziel gesetzt, bis Ende 2022 insgesamt 575 Verwaltungsleistungen auf Bund-, Länder- und Kreisebene digital anzubieten. Doch nur wenige Leistungen sind bisher flächendeckend verfügbar
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) zeigt mit ihrem Behörden-Digimeter den Umsetzungsstand beim OZG, also welche der 575 Leistungen jeweils bundesweit verfügbar sind, und fordert die Regierung auf, das Tempo der Umsetzung deutlich zu erhöhen.
Der deutsche Staat und seine Verwaltung brauchen dringend ein digitales Update. Beim E-Government, also der Digitalisierung der Verwaltung und der öffentlichen Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen, bleibt Deutschland hinter den Möglichkeiten zurück. Das zeigen internationale Vergleiche. Im Starting-a-Business-Ranking der Weltbank etwa belegt Deutschland Platz 125 von 190 Staaten. Das liegt unter anderem daran, dass man bei einer GmbH-Gründung in Deutschland neun unterschiedliche Verfahren durchlaufen muss, von denen drei mit persönlichem Erscheinen vor Ort abgewickelt werden müssen.
Der Rückstand zeigt sich auch beim OZG. Das Gesetz hat das Ziel, den bürokratischen Aufwand bei Unternehmen, Beschäftigten sowie Bürgerinnen und Bürgern zu verringern, öffentliche Leistungen effizienter bereitzustellen und ihre Qualität und Geschwindigkeit zu erhöhen. Im OZG werden Bund, Länder und Gemeinden verpflichtet, bis Ende 2022 „ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten“. Der aktuelle Stand ist jedoch ernüchternd. Bisher sind lediglich 80 Leistungen bundesweit an den Start gebracht worden (siehe Digitalisierungsbarometer oben).
Dabei wäre die Umsetzung des OZG eine große Erleichterung für alle. So könnten staatliche Leistungen in Zukunft nicht nur einfach online beantragt werden, es würden auch alle Leistungen thematisch gebündelt. Für die Bürgerinnen und Bürger würde somit die Kommunikation mit staatlichen Stellen deutlich einfacher.
So ist es bisher: Verwaltungsleistungen klingen oft ähnlich oder gleich – doch die Beantragung und Bearbeitung liegt häufig bei unterschiedlichen Behörden. Die Bundesregierung schreibt:
„Das ist für Laien oft nicht nachvollziehbar und soll sich im Zuge der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ändern. Im Sinne der Nutzerorientierung wurden die 575 OZG-Leistungen in Themenfelder eingeteilt. Damit sind sie nicht mehr nach Zuständigkeiten der Behörden gebündelt, sondern nach thematischem Zusammenhang. Durch diese Aufteilung lassen sich ähnliche Leistungen zusammenhängend digitalisieren, auch wenn sie in der Zuständigkeit bei unterschiedlichen Ressorts liegen.“
Insgesamt gibt es 14 dieser Themenfelder, etwa „Bauen & Wohnen“, „Arbeiten & Ruhestand“ oder „Unternehmensführung & Entwicklung“. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) begleitet die Einführung der digitalen Verwaltung in Deutschland mit wissenschaftlicher Expertise. In Zusammenarbeit mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) werden wir diesen fortlaufenden Prozess regelmäßig evaluieren (hier das erste Paper der Serie).
Was bereits jetzt zu sehen ist: Die Umsetzung gelingt in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich schnell. So haben der Städteverbund Aachen mit 261 implementierten Leistungen und Hamm (226) einen sehr hohen Umsetzungsstand. „Das zeigt das hohe Potenzial einer zügigen Übernahme in der Fläche“, sagt Studienautor Klaus-Heiner Röhl. Eine solch zügige Übernahme sollte eigentlich kein Problem sein, da die Leistungen alle nach dem „Einer-für-alle-Prinzip“ entwickelt wurden. Das heißt, dass die im Einsatz befindlichen Lösungen für jede andere Kommune Deutschlands jederzeit ready-to-use sind – man muss es nur wollen und machen.
Das Gründungsgeschehen in Deutschland ist seit Jahren rückläufig. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland nur noch 331.000 neue Unternehmen gegründet – 12,5 Prozent weniger als fünf Jahre zuvor. Um die Gründerkultur zu stärken, ist auch eine Reduktion der Gründungsbürokratie bezüglich der Anmeldeverfahren bei unterschiedlichen Ämtern und Behörden notwendig. Während es in Deutschland auf diesem Gebiet seit Jahren praktisch keine Fortschritte gab, ist in Österreich inzwischen die Online-Anmeldung von Unternehmen möglich, wenn es nur eine Gründungsperson gibt. Dass Online-Gründungen auch in Deutschland möglich sind, zeigt die bereits laufende Implementierung dieser OZG-Leistung in Bremen: Seit Mitte Dezember 2020 ist in der Hansestadt die „medienbruchfreie Unternehmensgründung“ zumindest für Handwerksbetriebe online. Durch eine digitale Schnittstelle mit der Handwerkskammer kann über den Gründungsassistenten – ein Online-Portal des Landes – die Anmeldung eines Handwerksbetriebs nun vollständig online erfolgen. Aktuell wird in Bremen an einer Ausweitung auf andere gewerbliche Gründungen gearbeitet.
Ein weiteres Beispiel mit hoher Relevanz für die Wirtschaft betrifft die Sondernutzung von Straßen und Plätzen. Da die Außengastronomie und das Baugewerbe hierauf regelmäßig angewiesen sind, ist die Anzahl der profitierenden Nutzer entsprechend hoch. Bereits seit September 2019 kann in Hamburg die gastronomische Nutzung des öffentlichen Raumes online über das Service-Portal Hamburg beantragt werden.
Die Online-Bestellung der Sperrmüllabfuhr ist ein Beispiel für eine Leistung aus dem Onlinezugangsgesetz, die bereits einen recht hohen Umsetzungsgrad erreicht hat. In den meisten deutschen Großstädten können die Bürger die Abholung über ein Onlineportal buchen. Allerdings gibt es diese Möglichkeit in wichtigen Städten wie Hamburg, Essen und Hannover noch nicht. Auch die Nutzerfreundlichkeit ist sehr unterschiedlich, da es kein deutschlandweit einheitliches Bürgerportal gibt.
Die Fallbeispiele und der hohe Umsetzungsstand in einigen Regionen zeigen, dass die Abstimmungen zwischen den verschiedenen involvierten Ämtern und den IT-Experten zwar nicht trivial sind, aber letztlich gute Lösungen gefunden werden können. Woran es hapert, ist die Beschleunigung der Umsetzung in weiteren Ländern und Kommunen bis zur erforderlichen flächendeckenden Verfügbarkeit aller 575 OZG-Leistungen in ganz Deutschland. Obwohl die Verfügbarmachung aller OZG-Leistungen bis Jahresende 2022 gesetzlich vorgesehen ist, fehlen im föderalen Staatsaufbau offenbar die rechtlichen Möglichkeiten, um die Bundesländer auf eine prioritäre Umsetzung zu verpflichten. Und innerhalb der Flächenländer fehlen wiederum die Durchgriffsrechte, um Umsetzungen in den Kommunen sicherzustellen. An dieser Stelle muss die neue Regierung dringend ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen.